Verzeihen statt Nachtreten

von Christoph Harder, Gemeindepfarrer in Spradow

Ich bitte alle Bürgerinnen und Bürger um Verzeihung! Mit diesen Worten nimmt die Bundeskanzlerin Angela Merkel am vergangenen Mittwoch die Beschlüsse zur umstrittenen Osterruhe zurück. Oha, denke ich, das ist mal ein mutiger Satz. Eine Bundeskanzlerin entschuldigt sich in diesen hysterischen Zeiten öffentlich für eine Entscheidung und übernimmt Verantwortung für das eigene fehlerhafte Tun. Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich dieser Entschuldigung höchsten Respekt zolle. Da reflektiert jemand sein Handeln und hat die Größe um Verzeihung zu bitten. Klar ist aber auch, was dann passiert: Die öffentlichen Reaktionen sind verheerend: Die Opposition fordert die Bundeskanzlerin auf, die Vertrauensfrage zu stellen, während im Internet der immer empörte Mob wütet.

Was bleibt von dieser Geschichte? Entscheidungsträger in Politik, Kirche und Wirtschaft werden wahrscheinlich noch vehementer versuchen Fehler zu vermeiden und begangene zu vertuschen. Das ist ja ein Trend der letzten Jahre. Hauptsache nichts falsch machen, dann kann man auch nicht öffentlich gegrillt werden. Auf der Strecke bleibt dabei die Kreativität. Wer kreativ sein will, wird immer Fehler machen. Von Thomas Alva Edison wird erzählt, dass er 9000 Versuche brauchte, um die Glühbirne zu erfinden. 8999 Fehler waren dabei, bis der neuntausendste Versuch endlich klappte. Nur in einer fehlerfreundlichen Atmosphäre, lässt sich kreativ arbeiten. Wer krampfhaft versucht Fehler zu vermeiden, macht am Ende überhaupt nichts richtig.

An diesem Sonntag beginnt die Karwoche. Wir denken an das Leiden und Sterben Jesu am Kreuz. Am Kreuz werden die Verhältnisse umgedreht. Im Mittelpunkt unseres Glaubens steht kein strahlender Sieger. Gott identifiziert sich in Jesus am Kreuz mit all den Gescheiterten dieser Welt. Er trägt ihre Unvollkommenheit, ihre Schuld und nimmt sie an. Was für eine befreiende Botschaft. Bei Gott kommt es nicht auf Fehlervermeidung an, sondern auf Vertrauen. Er liebt mich, obwohl ich so bin, wie ich bin. Wer sich von Gott geliebt weiß, kann zu seinen Fehlern stehen. Schön fand ich, dass viele Journalisten und Politiker bei Angela Merkel emphatisch reagiert haben. Scheinbar gibt es doch eine Ahnung unter uns, dass Vergeben und Verzeihen wichtiger sind, als Nachtreten.