Schlüssel verloren...

von Silke Reinmuth, Gemeindepfarrerin der Lydia-Gemeinde Bünde

Da habe ich Donnerstag ganz schön dumm geguckt. Auf der Heimfahrt noch schnell in den kleinen Supermarkt und etwas fürs Abendessen eingekauft. Da stand ich vor meinem abgeschlossenen Auto und fand den Schlüssel nicht mehr. Weder eine gründliche Suche noch die Befragung sämtlicher Angestellten im Laden hat den Schlüssel zutage gebracht. Schließlich hat mich mein Mann abgeholt und mit dem Zweitschlüssel kamen wir an das Auto. Meine Telefonnummer habe ich an der Kasse hinterlegt. Mir blieb erst einmal nichts anderes übrig, als darauf zu vertrauen, dass ein ehrlicher Mensch den Schlüssel findet und an der Kasse abgibt.

Vertrauen - lediglich 30 Prozent der Bevölkerung vertraut aktuell noch den politischen Parteien im Land, viele verzichten auf ihr Recht zu wählen. Wer den Kirchen kein Vertrauen mehr entgegen bringt, tritt aus. Vertrauen schwindet, so lauten die Schlagzeilen. Wenn mir jemand sagt, „ich habe das Vertrauen in dich verloren“, wenn ehemalige Konfirmandinnen aus der Kirche austreten, dann tut das ziemlich weh und ich frage mich, was ich falsch gemacht habe.

Nur, das allein reicht nicht. Vertrauen wirkt gegenseitig und wächst meiner Erfahrung nach vor allem da, wo beide Seiten einander sehen. Aber manchmal ist das mit dem Vertrauen so ähnlich wie mit dem verlorenen Schlüssel, einfach weg.

„Dein Glaube hat dir geholfen“, sagt Jesus zu dem Blinden, als der wieder sehen kann. Dabei stört der zunächst und mischt alle auf, weil er laut in die Menge ruft. Man versucht ihn zum Schweigen zu bringen, aber er ruft weiter – bis er gehört wird von Jesus. Eine Begegnung, die ihn heilt. Er kann wieder sehen und geht mit den anderen weiter.

Wenn ich das Muster der Erzählung, neudeutsch das „Narrativ“, auf aktuelle Zahlen in Sachen Vertrauen übertrage, denke ich an Streit und heftige Auseinandersetzungen im Parlament, in Talkshows oder zwischen Menschen. Klar, da vergreift man sich schon mal im Ton. Aber das Anliegen, die Absicht dahinter wird ja gerade glaubhaft, wenn Gefühle ins Spiel kommen, wo ich den Tränen nahe bin, wo ich meine Verletzung oder meine Sorge zeige.

Politikerinnen, die das können, verdienen mein Vertrauen. Ja, ich glaube, dass sie es wirklich gut meinen, selbst wenn sie gestern noch etwas ganz anderes versprochen haben, als es nun beschlossen worden ist. Denn sie haben ja gekämpft und gestritten für ihre Überzeugung. Nur sind sie überstimmt worden. Sie können dennoch mittragen, was ursprünglich gegen ihre Überzeugung war. Denn das ist Demokratie. Und an die glauben sie.

Mir geht das genauso. Ich setze mich ein für etwas, nur die Mehrheit sieht es anders. Ich kann das trotzdem mittragen, mein Glaube an Gott bedeutet mir viel mehr als jede Alltagsentscheidung. Er hilft mir, Entscheidungen von einer anderen Seite zu sehen, so kann ich weitergehen.

Übrigens, meinen Schlüssel habe ich noch am Abend wieder bekommen. Er war an der Kasse aus der Tasche direkt in den Müll gerutscht. Da hat ihn die nette Dame gefunden und mich angerufen. In mir klingen die Worte Jesu nach: „Dein Glaube hat dir geholfen!“   

Andachten 2022

Januar Olaf Reinmuth „Jesus Christus spricht: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.“
Februar Manuela Müller-Riepe Wie geht es dir?
März Hanno Paul „Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein.“
April Gabriele Steinmeier Wachen und Schlafen
Mai Axel Bruning Heute bleibt die Kirche kalt ...
Juni Jutta Hoppe Wer glaubt ist nicht allein
Juli Jörg Lange Du stellst meine Füße auf weiten Raum
August Anna-Lena Köhler „Ihr seid das Licht der Welt“
September Gerald Wagner Licht kann man sehen
Oktober Niklas Niedermeier Alles klar
November Silke  Reinmuth Schlüssel verloren ...
Dezember Kyra Wollbrink Eingel

Andachten 2021

Januar Olaf Reinmuth „Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.“
Februar Markus Fachner Nicht unterkriegen lassen    
März Kai-Uwe Spanhofer Soviel Du brauchst    
April Christoph Harder Verzeihen statt Nachtreten    
Mai Volker Kükenshöner Wichtige Arbeit    
Juni Frauke Wagner „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen    
Juli Silke Reinmuth Werkzeug    
August Christian Wellensiek Berührungspunkte    
September Axel Bruning Sich einfach geborgen fühlen …    
Oktober Bettina Fachner Nachhaltig reich beschenkt sein    
November Katharina Baumann-Schulz Vitamin G  
Dezember Petra Ottensmeyer Trost im Advent