(Herford, 03.04.2020). Aus den Fenstern wird gewinkt und man sieht lachende Gesichter – die Menschen im Marie-Schmalenbach-Haus, ein Altenheim in Herford, haben Freude, das ist zu spüren.
Und nicht nur sie sind begeistert. Auch aus den Fenstern der Nachbarschaft schauen Köpfe. Jüngere und ältere Menschen stehen bei gekippten Fenstern, halten an weit geöffneten Fenstern ihre Gesichter in die frische Luft oder bleiben auf ihrem Weg zum Einkauf oder im Garten einen Augenblick stehen. Es wird nach jedem Stück applaudiert und manche rufen: „Eines noch“.
Gemeint sind die Musikstücke, die Musikerinnen und Musiker dort jeden Nachmittag spielen. Immer zwei von ihnen finden sich dort von Montag bis Freitag jeden Nachmittag ein, um den Bewohnerinnen und Bewohnern des Altenheims und den Menschen in der Nachbarschaft ein kleines Konzert zu geben.
Sie haben die feste Zeit, 16 Uhr, mit dem Sozialdienst dort im Haus abgestimmt. Das ist die Zeit, in der sonst viele der alten Menschen dort Besuch erhielten – der in dieser Zeit der eingeschränkten Kontakte aber draußen bleiben muss.
Das macht viele sehr traurig. Aber sie sehen ein, dass das auch zu ihrem Schutz geschieht. Manche nutzen die sozialen Medien, um mit Familie und Freunden Kontakt halten zu können. Aber nicht jedem gelingt das. Besonders schwierig ist das Kontaktverbot vor allem für demente Bewohnerinnen und Bewohner, die spüren, dass ihnen die Besuchenden fehlen, aber die Situation nicht mehr einschätzen können.
Das Team aus Pflegenden und Mitarbeiterinnen im Sozialdienst bemüht sich, den Alltag trotzdem so angenehm und interessant zu gestalten wie möglich. Es für alle aber auch eine Hilfe, wenn Menschen Ideen einbringen, wie sie dazu beitragen können, allen von außen eine Freude zu machen.
An diesem Altenheim sind es nun Musikerinnen und Musiker aus dem Bläserkreis an der Christuskirche, dem Posaunenchor Schwarzenmoor, die Kirchenmusikerin Katja Panina und ein Akkordeonduett, die sich vorgenommen haben, genau dieses Stück Fröhlichkeit an den Nachmittagen zu verbreiten.
„Es geht nicht jedes Instrument. Wir hätten auch einige, die Flöte spielen oder andere Instrumente, die zu zweit eher leisere Töne hervorbringen. Wenn aber wir – wie zurzeit eben vorgesehen – nur zu zweit spielen dürfen, muss es akustisch lauter sein, sonst hört man uns nicht bis in die Zimmer“, erklären sie. Aber mit Blechblasinstrumenten, Akkordeons oder lauter Stimme geht es. Vielleicht gäbe es ja auch noch andere Ideen, die Menschen im Haus mit der Musik zu erreichen.
Und: Vielleicht gibt es ja noch andere, die mitmachen wollen. Gerne darf man sich dort in der Emmaus-Kirchengemeinde ans Pfarrteam wenden, die die Kontakte herstellen, damit man sich abstimmen kann. Und so ist es sicher auch in den anderen Kirchengemeinden.
„Die Menschen sollen ja möglichst jeden Tag etwas Schönes gespielt bekommen. Wir denken auch schon über die Möglichkeit nach, Zettel auszuteilen, auf denen Wunschtitel ausgewählt werden können. Vielleicht immer ein oder zwei der Wohnungen – damit auch viele zum Zuge kommen. Wer einmal dort dabei war, spürt die Dankbarkeit der alten Menschen und wie positiv auch das Umfeld auf diese Kleinstkonzerte am Nachmittag reagieren. „Wir geben nicht nur, sondern nehmen sehr viel auch mit!“ – sind sich alle einig. Ob Choräle, Frühllings- oder Volkslieder. Das Repertoire ist breit.
„Vielleicht sollten es viele Musikerinnen und Musiker einmal ausprobieren“, meint man vor dem Marie-Schmalenbach-Haus in Herford. „Seniorenheime und Seniorenwohnungen gibt es viele.
Wenn jemand vor Ort die Koordination etwas in die Hand nimmt, kann es toll sein, so regelmäßig musikalisch Grüße von draußen zu bringen. Aber es kann auch mal nur an einem Nachmittag sein – oder ein kleiner Abendgruß.“
Die Mauern von Jericho sollen viele Posaunen zum Einsturz gebracht haben. Vielleicht können zwei oder drei, so wie dort vor dem Altenheim spielen, täglich oder gelegentlich, dazu beitragen, das Gefühl der Einsamkeit zu durchdringen – und Brücken bauen zwischen Menschen.
Linktipp: "Tipp des Tages" und "Hoffnungslieder"