
Pfarrer Berthold Keunecke (Archivfoto aus 2018)
Kreis Herford (14.05.2021). Pfarrer Berthold Keunecke ist der Synodalbeauftragter für Friedensbildung im Ev. Kirchenkreis Herford. Nachfolgend veröffentlichen wir seine Stellungnahme zum aktuellen Nahostkonflikt:
Als Friedensbeauftragter des Ev. Kirchenkreises Herford verurteile ich die Gewalteskalation im Nahostkonflikt. Sie hat schon jetzt viel zu viele Tote gefordert, und keine Seite kann dabei gewinnen.
Dass es hier immer wieder zu Gewaltexzessen, zu Angst und Terror bis hin zum Krieg kommt, liegt daran, dass der dem zugrunde liegende Konflikt nicht bearbeitet wird. Jüngst sind die Wahlen in Palästina abgesagt worden, weil Israel den Einwohnern Ostjerusalems die Teilnahme daran verwehrt hat. Der Fatahregierung in Ramalla kam das nicht ungelegen, weil sie eine Abwahl fürchtet. Doch kann so auch keine Autonomieregierung zustande kommen, die in der Lage wäre, Verhandlungen in dem Konflikt zu führen. Dieser wird stattdessen weiter geschürt, weil die israelische Regierung zulässt und fördert, dass rechtsextreme Siedler weiterhin Grund und Boden in den besetzten Gebieten illegal in Besitz nehmen.
So hat die aktuelle Gewalteskalation auch ihre Wurzeln einerseits in den geplanten Vertreibungen von Palästinensern aus ihren Häusern in Sheik Jarrah in Ostjerusalem, und andererseits in den gewalttätigen Auseinandersetzungen, in die die israelische Polizei auch im geheiligten Bezirk des Tempelberges in Jerusalem verwickelt war. Weder die Zwangsräumung der palästinensischen Häuser noch das Agieren bewaffneter Polizei im geheiligten Bezirk ist völkerrechtlich gerechtfertigt.
Die Staaten Israel und Deutschland verbindet eine feste Freundschaft - Israels Sicherheit zählt aufgrund unserer Geschichte zur Staaträson unseres Landes. Doch führt die aktuelle Politik der Regierung Nethanjahu offensichtlich nicht zu mehr Sicherheit, sondern nur zu einer verlängerten Regierungszeit des unter Korruptionsverdacht stehenden Ministerpräsidenten. Eine Lösung des Grundkonfliktes rückt in weitere Ferne.
Im Interesse der Menschen auf beiden Seiten, die in diesen Tagen wieder unter Krieg und Gewalt leiden, ist es dringend geboten, auf politischer Ebene Völkerrechtsverstöße klar zu benennen und auf die Einhaltung des Völkerrechts zu drängen. Unter befreundeten Staaten muss das möglich sein. So ist von unserer Regierung zu erwarten, dass sie von beiden Seiten zunächst die sofortige Einstellung aller Kampfhandlungen verlangt - und dann die Bearbeitung des Grundkonfliktes auf der Grundlage von Menschen- und Völkerrecht.
Gleichzeitig muss in unserem Land konsequent gegen Antisemitismus in allen Formen vorgegangen werden. Jüdische Mitbürger*innen dürfen auch nicht für die Politik Israels verantwortlich gemacht werden. Hier wie da muss vor Vereinfachungen und Feindbildern gewarnt werden. Die daraus wachsende Gewalt kann den Konflikt nicht lösen.