Abschied von der historischen Johannis-Kita / Mitte August geht’s als „Kita Mittendrin“ im Neubau weiter

Erstellt am 28.07.2021

Ein Denkmal mit sozialer Geschichte

Foto: Pfarrer Holger Kasfeld und Kita-Fachberaterin Regine Henneken vom Kirchenkreis mit Kita-Leiterin Vanessa Häußer (rechts) beim Durchstöbern historischer Bilder und Dokumente

 

Herford (28.07.2021). Seit 168 Jahren gab es in dem denkmalgeschützten, blauen Haus an der Petersilienstraße einen evangelischen Kindergarten. Es ist der älteste Kita-Standort im Kreis Herford und vermutlich der zweitälteste in Ostwestfalen. Jetzt wurde dort alles zusammengepackt und offiziell zum letzten Mal die Kita-Tür verschlossen.

Die Kindertageseinrichtung und das Familienzentrum „St. Johannis“ ziehen mit Sack und Pack um. Kinder und Mitarbeitende haben schon die ersten Sachen in ins neue Domizil an der Waisenhausstraße gebracht. „Für uns ist es komisch, jetzt wo wir alles leer räumen. Aber wir freuen uns auch auf das Neue“, erzählt Kita-Leiterin Vanessa Häußer.

In der Waisenhausstraße hat die Carina-Stiftung einen stadtbildprägenden Mehrgenerationen-Neubau errichtet für eine Kita mit Familienzentrum, dem Jugendzentrum ToTT und einem Seniorentreff. Nach der Sommerpause wird es Mitte August für die Kita in den neuen Räumen weitergehen - und sie wird sich etwas vergrößern. Zukünftig können 57 Kinder in drei Gruppen die neue Kindertageseinrichtung besuchen. An dem bisherigen Standort an der Petersilienstraße war die Platzzahl geringer, außerdem durfte die Kita aufgrund neuer gesetzlicher Auflagen das denkmalgeschützte Haus nur noch befristet nutzen.

Etwas wehmütig durchstöbern Vanessa Häußer, Pfarrer Holger Kasfeld und die Kita-Fachberaterin Regine Henneken alte Fotos, Dokumente und Zeitungsauschnitte. „Wir gehen nicht nur aus einem alten Kita-Gebäude heraus, sondern hier haben wir auch eine ganz besondere Geschichte“, erzählt Pfarrer Kasfeld.

Im Januar 1845, vor 176 Jahren, gründeten städtische Honoratioren unter Federführung evangelischer Pastoren den damaligen Verein „Klein-Kinderbewahranstalt“. Der Vorstand des Trägervereins sollte gemäß Satzung paritätisch besetzt werden - mit vier Männern und vier Frauen. Sofort nahm der Verein die Betreuungsarbeit auf; acht Jahre später bezog die „Lehrerin“ mitsamt ihren Helferinnen und den tagsüber zu betreuenden Kindern das Haus an der Petersilienstraße.

Zwar änderte sich im Laufe der Jahrzehnte mehrmals der Name, zum Beispiel in „Kleinkinderschule“ über „Kindergarten“ bis zur „Kindertageseinrichtung und Familienzentrum“, doch das Ziel bleib im Wesentlichen gleich. Kasfeld: „Damals hatten sie schon den gleichen Geist, sie wollten etwas Soziales.“

Mitte des 19. Jahrhunderts gab es vielerorts Armut, aber auch eine zunehmende industrielle Entwicklung, die wiederum soziale Konflikte auslöste. Kasfeld: „Ich glaube, dass die Gründungsmütter und -väter die gesellschaftliche Veränderung ihrer Zeit im Blick hatten. Und dass sie für die Kirche die Verantwortung gesehen haben, für die Menschen da zu sein.“

Das Gründungsprotokoll von 1845 formulierte den Anspruch des neuen Herforder Vereins. Die „Klein-Kinderbewahranstalt“ solle Kinder vom vollendeten zweiten Lebensjahr bis zum schulpflichtigen Alter aufnehmen, sie vor Gefahren bewahren und „zur geistigen Entwicklung“ beitragen.

Ganz konkret wurden in dem Protokoll beispielsweise Themen wie Leibesübungen und Spiele, Erzählungen von biblischen Geschichten, die Einübung von Liedern und Informationen über Natur und Kunst angeregt, außerdem sollten die Kinder gesunde Nahrung erhalten. „Das sind alles Themen, die wir vielleicht heute in unserer Bildungsarbeit teilweise anders benennen, die aber noch immer einen hohen Wert in unserem pädagogischen Programm haben“, sagt Regine Henneken.

Auch zur Finanzierung der Arbeit nahm die Gründungsversammlung Stellung. Demnach erfolgte die Aufnahme der Kinder entweder unentgeltlich oder gegen eine Vergütung. Die Eltern, die „vermögend genug sind“, sollten sich an den Unterhaltskosten beteiligen.

Kasfeld: „Das 1840 erbaute Haus hier an der Petersilienstraße beherbergte fast von Beginn an eine soziale Einrichtung, die auf die Bedingungen der Zeit reagierte.“ Zum Beispiel betreute hier die Leiterin mit zwei Gehilfinnen zeitweise 80 bis 120 Kinder – eine unvorstellbar hohe Kinderzahl für heutige Verhältnisse und Ansprüche.

Die Kindertagesstätte in der Petersilienstraße hat für die Innenstadt stets eine sehr wichtige Rolle gespielt. Zuletzt waren in der Johannis-Kita 39 Kinder aus 15 Nationen und wurden von zehn pädagogischen Fachkräften betreut und gefördert. Wenn es Mitte August etwas größer im Neubau in der Waisenhausstraße weitergeht, erhält die Kita auch einen neuen Namen. Sie heißt dann offiziell „Evangelische Kita/Familienzentrum Mittendrin“.

Archivfoto: Ein Gruppenbild aus dem ersten Drittel des 20. Jahrhunderts

Foto: Vanessa Häußer (links) und Lina Roos freuen sich auf den Kita-Neubau, aber erinnern sich auch gerne an die vielen schöne Erlebnisse in der historischen, denkmalgeschützen Kita hinter ihnen

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