
Foto: Ulrike Jäger (links) und ihre Ansprechpartnerinnen vor Ort
Kreis Herford (24.03.2022): Nachfolgend veröffentlichen wir den Erfahrungsbericht von Ulrike Jäger, Gemeindepädagogin im Ev. Kirchenkreis Herford.
Am 11. März 2022 erreichte mich spät abends Nachricht aus der Ukraine. Menschen, die ich durch Kontakte der Arbeit vom Jugendworkcamp Bünde-Belarus kenne, berichteten mir über die Situation von 80 Waisenkinder, die größtenteils aus der Ostukraine stammen. Die Waisenhäuser, in denen sie untergebracht waren, wurden von sowjetischen Truppen beschossen, so dass Lebensgefahr für die Kleinen und deren Betreuerinnen bestand. Darum mussten sie – im Alter von 6 Monaten bis 3 Jahren – aus dem Osten des Landes quer durch die Ukraine in die Westukraine fliehen. Es waren zunächst 30 Kinder. Später kamen 50 weitere hinzu. Sie flohen in den Großraum Lwiw/Lemberg und fanden in den beiden Städten Luzk und Kiwerzi vorübergehend Unterkunft und Sicherheit. Dort benötigen sie und weitere Menschen aber nun dringend Hilfe.
Eine Sozialarbeiterin aus Kiwerzi kannte eine Frau, mit der ich durch die Workcamp-Arbeit bekannt bin und die auf polnischer Seite Transporte annehmen und an sie weitervermitteln kann….– Kurz: Die Hilfe kann wirklich von Mensch zu Mensch durch vertrauenswürdige Weitergabe geregelt werden. So kann man in dieser unsicheren Zeit doch ziemlich sicher sein, dass die, die Hilfe bedürften das bekommen, was hier in Herford an Hilfe auf den Weg gebracht wird.
Durch das Netzwerk direkter Verbindungen bekommen wir direkt Nachrichten und Informationen aus dem Krisengebiet und können gezielt organisieren, was benötigt wird.
Durch Kontakte zu Familie Simac aus Hiddenhausen, die anfänglich wöchentlich Hilfstransporte in die Ukraine organisieren, können wir die Hilfe für die Kinder und andere Menschen in Luzk und Kiwerzi mitgeben. Vor Ort übernehmen Dominikaner-Nonnen in Polen unsere Hilfsgüter und organisieren und begleiten den Transport selbst - mit Hilfe eines ukrainischen Fahrers - in die Ukraine zum Partnerkloster Schowka im Oblast Liwiw/Lemberg, von wo aus sie weiterverteilt werden. Dort werden sie dann von unseren Partnern, einer eingetragenen humanitären Organisation abgeholt und in das etwa 160 km nordöstlich gelegene Luzk und Kiwerzi transportiert und dort verteilt an die Kinder und andere besonders hilfsbedürftige Flüchtlinge, die dort im Moment Sicherheit vor den Kämpfen gesucht haben.
Dass diese herausfordernde Aufgabe der Hilfstransporte, angefangen vom Sammeln der Sachspenden und Geldspenden von der Jugendarbeit des gesamten Kirchenkreises, der Frauenarbeit und vielen weiteren HelferInnen unterstützt und mitgetragen wird, erfüllt mich mit Dankbarkeit. Hier ist Solidarität gefragt. Ein Werbetext von Brot für die Welt lautete: „Wir beten, dass sie nicht nur beten.“ Glauben heißt auch zur Tat schreiten. Dafür muss man aufstehen und vielleicht auch aufbrechen.
Das, was derzeit in der gesamten Ukraine an Verbrechen gegen die Menschlichkeit geschieht, kann einen im wahrsten Sinne des Wortes nicht ruhig im Sessel sitzen lassen, das kann man nicht stillschweigend, abwartend zur Kenntnis nehmen, bis es vorbei ist. Die Gemeinschaft mit Gott muss uns zu einer engagierten Gemeinschaft mit unseren Mitmenschen, mit den Bedürftigen und Armen, mit den Opfern von Gewaltherrschaft und Terror verbinden.
Wenn wir glaubwürdig sein wollen, dann muss unser Glaube zur tätigen Nächstenliebe führen. Unser Gespräch über den Glauben und unsere christliche Gemeinschaft wird ohne die tätige Liebe kraftlos und wirkungslos bleiben.
Wer die Wahrheit erkennt, der tut sie auch und das verbindet uns miteinander. Auch wenn wir nicht das ganze Problem klären können, wenn wir nicht allen helfen können, so wollen wir wenigstens mit unseren Mitteln und Wegen das uns jeweils Mögliche tun und ganz praktisch helfen, wo wir können.
Möge Gott unsere einfachen Versuche des Helfens segnen und zum Frieden führen.
Am Sonntagabend, 20. März 2022, um 19:59 Uhr ist übrigens unser erster Hilfstransport in Kiwerzi angekommen. Da ab 20:00 Uhr eine Ausgangssperre gilt, konnte die Ladung nicht entladen werden. Am Montag konnte sie ebenfalls nicht entladen werden, weil sie unter Raketenangriff stand. Dann aber konnte alles ausgeladen und, wie beschrieben, an die entsprechenden Stellen verteilt werden.
Ein kleiner zweiter Hilfstransport mit Lebensmitteln und Medikamenten konnte ich über den großen Transport von Simacs mit der Firma Hettich verschicken. Diese Lieferung ist in der Ukraine ebenfalls angekommen und jetzt auf dem Weg nach Kiwerzi.
Fleißige HelferInnen packen an jedem Freitag im Keller des Kirchenkreises Pakete, die fortlaufend in die Ukraine transportiert werden. Am kommenden Freitag, den 25. März fahren wir selber mit einem 3,5 Tonner eine weitere Lieferung nach Polen, die den gleichen Weg zu unseren Freunden nach Kiwerzi nimmt.
Bitte unterstützen Sie uns auch weiterhin.