12/05/2025 0 Kommentare
Herford: Interreligiöse Entdeckungsfahrt / Ein Bus und viel Gastfreundschaft
Herford: Interreligiöse Entdeckungsfahrt / Ein Bus und viel Gastfreundschaft
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Herford: Interreligiöse Entdeckungsfahrt / Ein Bus und viel Gastfreundschaft
Am Sonntag, 11. Mai 2025, starteten 30 Gäste zu einer interreligiösen Bustour durch Herford. Petra Feldmann von interkulturellen Projekt Haus der Begegnung, Manuela Müller-Riepe vom Interreligiösen Arbeitskreis des Evangelischen Kirchenkreises Herford und Frank Meier-Barthel von der Evangelischen Erwachsenenbildung hatten zu der Entdeckungsfahrt eingeladen und mussten leider im Vorfeld zahlreichen Interessierten absagen, da die Veranstaltung schon zwei Tage nach der Ankündigung ausgebucht gewesen ist.
Synagoge
Die Teilnehmenden trafen sich an der Herforder Synagoge. Sarah Grützmacher von der Jüdischen Gemeinde Herford-Detmold eröffnete Einblicke in die getrennten Räume der Fleisch- und Milchküche im Untergeschoss der Synagoge und erklärte, dass eine Essensregel des Judentums vorschreibt, Fleisch- und Milchgerichte niemals zusammen zu lagern, zuzubereiten und zu verspeisen. Sie führte auch aus, wie Juden und Jüdinnen diese Regel privat handhaben, ohne sich zwei Kücheneinrichtungen zulegen zu müssen – zwei Sätze Kochgeschirr allerdings seien durchaus notwendig.
Zu den gemeinsamen Mahlzeiten am Abend des Schabbats kommt etwa die Hälfte der jüdischen Gemeinde in der Synagoge zusammen, wozu sich auch Nicht-Juden gerne zuvor bei der Gemeinde anmelden können. Die Gemeinde besteht allerdings aus nur 64 Mitgliedern, meist in gehobenem Alter, sodass deutlich wurde, dass das Judentum die gleichen Nachwuchsprobleme hat wie die christlichen Gemeinden.
Gemeinde Ahmadiyya Muslim Jamaat
Danach ging es mit dem Bus zur Herforder Gemeinde Ahmadiyya Muslim Jamaat. Es handelt sich dabei um eine Strömung des Islam, die ihren Ursprung in Indien hat. Anders als fast alle anderen muslimischen Gruppen glauben die Menschen von Ahmadiyya, dass der Messias bereits erschienen sei. Diese Richtung des Islam pflegt eine betont unpolitische Glaubenspraxis, legt Wert auf religiöse und kulturelle Bildung, friedliches Einvernehmen mit Andersgläubigen und steht in der Region Herford mit Juden und Christen im interreligiösen Dialog.
Die Herforder Gemeinde, die 200 Mitglieder hat, war überaus gastfreundlich und hatte in einem Nebenzimmer des Gebetsraums ein Kuchen- und Tortenbuffet aufgebaut, das für die doppelte Zahl an Gästen gereicht hätte. Zum Abschied bekam jeder Gast einen Stoffbeutel, in dem unter anderem ein Kugelschreiber mit dem Motto der Herforder Ahmadiyya-Gemeinde war: „Liebe für alle – Hass für keinen“.
Jesidische Schilan-Gemeinde
Dann fuhr der Bus aus der Stadt hinaus Richtung Eickum, um sich über die Kultur der Jesiden zu informieren. Die beiden Gastgeber der jesidische Schilan-Gemeinde Herford betonten die mündliche Tradition des Jesidentums und erzählten anschaulich vom Alltag ihrer Gemeinschaft. Möchte die erste, eingewanderte Generation lieber in der Heimaterde des Irak und anderer Länder beerdigt werden, so ist für Jüngere die Heimat längst Ostwestfalen, was auch der jesidische Abschnitt auf dem Herforder Friedhof „Zum ewigen Frieden“ symbolisiert.
Außerdem ändert sich im Wechsel der Genrationen die Art Hochzeiten zu feiern – die Zahl der Gäste zum Beispiel wird kleiner und überhaupt ist das Jesidentum eine sich immer wandelnde, vielseitige Kultur, in der jede Gruppe und jede Generation die Tradition etwas anders pflegt. Wieder begegnete man den Teilnehmenden mit großer Gastfreundlichkeit. Es gab Kaffee, Limonade und frisch gegrillte Bratwurst – auch ein Radfahrer, der zufällig vorbeikam, war herzlich eingeladen.
Haus der Begegnung - Interkulturelles Projekt des Kirchenkreises Herford

Zuletzt fuhr der Bus in das Haus der Begegnung an der Landsberger Straße 2 in Herford. Es handelt sich dabei um ein interkulturelles Projekt des Evangelischen Kirchenkreises Herford. Dort hat die Kulturwissenschaftlerin Petra Feldmann (Foto oben) im März die Stelle als Projektleitung angetreten. Frau Feldmann stellte die Zielsetzung des Projektes dar. Es geht darum, zu Festen, Aktionen und Bildungsveranstaltungen einzuladen, in deren Rahmen sich die verschiedenen Religionen Herfords begegnen und austauschen können.
Feldmann zeigte sich nach der Busfahrt beeindruckt von der religiösen Vielfalt, die Herford aufweist. Sie betonte dabei auch, dass leider alle drei besuchten Religionsgemeinschaften mitunter massiver Feindseligkeit ausgesetzt seien. Die Synagoge wird rund um die Uhr polizeiüberwacht, die Anhänger der Ahmadiyya-Strömung werden in Pakistan von radikaleren Muslimen bedroht und vertrieben, und die jesidische Geschichte weiß von mehreren Genoziden. Es zeigt sich, wie sehr religiöse Vielfalt zusammengehört mit Demokratie und Toleranz.
Zum Abschluss wurde im Haus der Begegnung ein Pizza-Buffet angeboten. Die 30 Gäste griffen gerne zu, obschon die Gastfreundschaft an den Stationen zuvor kaum noch Platz in den Bäuchen für eine weitere Mahlzeit gelassen hatte. So waren am Ende der Veranstaltung die Teilnehmenden satt und voller Eindrücke und gingen zufrieden in den sonnigen Abend. Es sind weitere Interreligiöse Bustouren geplant, da das Format sich großer Beliebtheit erfreut und weil es in Herfords religiöser Vielfalt noch einiges mehr zu entdecken gibt.
Titelfoto: Der Amud (Lesepult des Kantors) und der Thora-Schrein (hinter dem dunklen Vorhang) in der Herforder Synagoge.
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