„Das war gar keine richtige Osternacht in diesem Jahr.“

von Anke Hülsmeier, Schulpfarrerin im Kirchenkreis Herford

„Das war gar keine richtige Osternacht in diesem Jahr,“ sagte mein Vater gestern am Telefon zu mir. „Was ist denn eine „Richtige“ Osternacht?“ wollte ich wissen, aber es fiel ihm gar nicht so leicht, es mir zu erklären.

Am Ende fanden wir aber doch heraus, wo der Hase im Pfeffer lag: Vieles war wie immer, der Einzug mit Kerzen in die dunkle Kirche, die vertraute Liturgie, das Frühstück im Anschluss an den Gottesdienst. Aber: Das gemeinsame „Christ ist erstanden“ schmettern, während die Kirche hell wird, das hat gefehlt. Ein Teil der Osternacht, der anders war als in all den anderen Jahren – vielleicht gar nicht so wichtig.

In den letzten drei Jahren war die Feier der Osternacht Corona zum Opfer gefallen, vielleicht konnten sich gar nicht alle so genau erinnern, wie es immer war. Für meinen Vater konnte es jedenfalls nicht richtig Ostern werden, weil genau dieser Teil gefehlt hat.

Es hätte eben genauso sein müssen wie immer. Viele Jahre lang ist er zusammen mit meiner Mutter am Ostersonntag vor Tau und Tag zur Kirche gepilgert, allerlei Zutaten für das Frühstück im Gepäck, meine Mutter froh, den inneren Schweinehund bezwungen und es aus dem Bett geschafft zu haben, dann war es hell geworden mit dem Vater aller Osterchoräle und dann konnte man auch all die anderen schönen Osterlieder singen, eine volle Kirche, ein geselliges Frühstück und später mit dem Posaunenchor auf den Friedhof.

Es war nicht nur dieser eine Teil des Gottesdienst, es war auch unsere Mutter, die fehlte. Es war seine Eiserne Konfirmation, die nicht stattgefunden hat. Es war das deutlich spürbare Altwerden. Es konnte einfach nicht richtig Ostern werden für meinen Papa.

Da kann man aufgeschlossen gegenüber Neuem sein, wie man will – manches muss eben sein wie immer.

Als Schulpfarrerin erlebe ich die andere Seite, etwas spröde „Traditionsabbruch“ genannt. Viele Schülerinnen und Schüler wissen nur noch mit Mühe, was es mit Weihnachten auf sich hat, bei Ostern wird’s schon schwierig, bei Pfingsten erst recht. Dass es einen Abigottesdienst geben muss, ist im Kollegium nicht mehr so richtig verankert und in diesem Jahr hieß es zum ersten Mal von Schülerseite: „Brauchen wir eigentlich nicht.“

Die kirchlichen Rituale, die die einen brauchen, damit sie ihr inneres Ostern erleben können, sind den anderen fremd geworden. Dass Menschen Rituale brauchen, haben auch andere erkannt, und bieten freie Trauungen und freie Trauerfeiern an – die zunehmend in Anspruch genommen werden. Und ich ertappe mich dabei, etwas beleidigt zu sagen: „Hey, darauf haben wir aber ein Copyright.“ Und insgeheim zu denken: „Und eigentlich können wir das auch besser.“

Aber es nützt ja nichts, sich in die Schmollecke zu verziehen. Als Kirche sind wir nämlich ziemlich gut darin, Menschen an wichtigen Stationen ihres Lebens zu begleiten. Wir tun das bei Taufen, Konfirmationen, Trauungen, Bestattungen, durch Konfirmations- und Ehejubiläen, durch Kindergarten- und Schulgottesdienste, wir begleiten Menschen in ihre Aufgaben hinein (Einführungsgottesdienste für Mitarbeitende) und entbinden sie von ihren Aufgaben (Verabschiedungsgottesdienste) und wir sind da, wenn Menschen sprachlos werden angesichts von Leid und Tod.

Ich denke z.B. an den Gedenkgottesdienst für die Coronatoten in Berlin, den ich mit meinen Schülerinnen angesehen und besprochen habe und von dem sie sagten: „Ja, das war uns an manchen Stellen fremd, aber es war gut, vor allem, weil Menschen mitgemacht haben, die persönlich betroffen sind. Es muss eine derartige Veranstaltung geben und es ist gut, dass Kirche das macht.“

Ich glaube, wenn Kirche bestehen soll, müssen wir aufhören, auf dem zu beharren, was wir „im Angebot“ haben, weil es immer schon so war, sondern fragen, was die Menschen brauchen. An vielen Stellen geschieht das bereits. Das Erleben der Petrikirche als Vesperkirche veranlasste einen Kollegen, der nicht den Ruf hat, besonders kirchenaffin zu sein zu der begeisterten Aussage: „Ja, so muss Kirche sein.“ Ich antwortete: „So IST Kirche, nicht immer, aber öfter als du vielleicht denkst.“ Manche wissen das einfach nicht, also müssen wir’s ihnen erzählen und Erfahrungen damit ermöglichen, wo immer es geht. Und das müssen wir gut machen. So gut, dass es sich herumspricht.

Andachten 2023

Januar Olaf Reinmuth „Du bist ein Gott, der mich sieht!“
Februar Carsten Fiefstück Glocken
März Claudia Günther Verbunden mit dem Leben
April Alexandra Hinsel „Was für eine *-Idee?“
Mai Anke Hülsmeier „Das war gar keine richtige Osternacht ...“
Juni Hanno Paul Wer ist die Kirche?
Juli Gabriele Steinmeier Gesten und Glaube
August Jutta Hoppe Sommer, Sonne, Urlaub
September Bettina Fachner Unterbrechung
Oktober Kai-Uwe Spanhofer Dankbar für die Fülle
November Michael Heß „Jesu Sahay“ - Jesus hilft
Dezember Manuela Müller-Riepe Frieden